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Ergebnisse des Forschungsprojektes und Online-Dialoges zur Wahrnehmung und Bewertung der deutschen Einheit

Ergebnisse des Online-Dialoges auf www.unsere-deutsche-einheit.de als Tagwolke

Ergebnisse des Online-Dialoges auf www.unsere-deutsche-einheit.de als Tagwolke

Im Jahr 2009 jährt sich zum 20. Mal die Friedliche Revolution in der DDR und der Fall der Mauer. In vielen Veranstaltungen wird an das Jahr 1989 erinnert. Es stellen sich aber auch die Fragen, wie es momentan um die deutsche Einheit bestellt ist und was für ihre weitere Gestaltung noch zu tun ist.
Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Forschungsprojekts "Wahrnehmung und Bewertung der deutschen Einheit" (Laufzeit Oktober 2008 - Februar 2009). Bestandteil dieses Forschungsprojekt war ein Online-Dialog, in dem der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Wolfgang Tiefensee, die Bürgerinnen und Bürger zur Mitwirkung eingeladen hatte. Das Projekt wurde im Auftrag das Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung (BMVBS) durchgeführt.

In der Zeit vom 9. Januar bis 9. Februar 2009 konnten alle Interessierten aus Ost und West auf der Internetseite www.unsere-deutsche-einheit.de Debatte über die deutschte Einheit aktiv mit gestalten. Neben eigenen Erlebnissen aus den Jahren 1989-90 waren Einschätzungen zur aktuellen Lage und zur Zukunft der deutschen Einheit gefragt. Insgesamt wurden von 229 Teilnehmern über 400 Beiträge veröffentlicht, die weiterhin auf der Seite nachgelesen werden können. Die Beiträge des Dialogs sind im Rahmen des Forschungsprojekts ausgewertet worden.

Download Kurzfassung der Projektergebnisse
Lesen Sie die Kurzfassung zu den Ergebnissen des Forschungsprojektes und des Online-Dialoges.

Download Auswertungsbericht des Online-Dialoges
Lesen Sie den ausführlichen Auswertungsbericht zum Online-Dialog.

Ergebnisse des Forschungsprojekts
Die Ergebnisse des Projekts "Wahrnehmung und Bewertung der Deutschen Einheit" reflektieren die Erfolge des Vereinigungsprozesses, aber auch weiter bestehende Ost-West-Differenzen, die in bestimmten Ausprägungen andere regionale Unterschiede in der Bundesrepublik Deutschland überlagern. Die Analyse der Wahrnehmungen und Bewertungen der deutschen Einheit wertete die Diskurse in den Sozialwissenschaften, in der Politik sowie in den Massenmedien aus und berücksichtigte die Einstellungen in der Bevölkerung, wie sie in Umfragen, im Spiegel der Meinungsforschung oder auch in Foren wie dem Online-Dialog zum Ausdruck kommen.
Neben den Prägungen der deutschen Einheit durch Wirtschafts-, Einkommens- und Arbeitsverhältnisse sind in diesem Projekt auch die kulturellen und mentalen Dimensionen des Vereinigungsprozesses beleuchtet worden. Zwar hat es seit 1990 deutliche Fortschritte bei der soziokulturellen Vereinigung gegeben, aber gleichzeitig haben sich auch Phänomene der Fremdheit und Ungleichheit zwischen Ost und West verfestigt. Diese Phänomene sind im Projekt mit Blick auf "kollektive Identitäten" und "Anerkennungsdesiderata" beschrieben worden. Es wird auf enttäuschte Erwartungen bezüglich der Geschwindigkeit und des Umfangs der Angleichung zwischen Ost und West verwiesen.
Zum aktuellen Bild der deutschen Einheit gehört jedoch auch, die unterschiedlichen Wahrnehmungsmuster der Generationen zu berücksichtigen. Für die um und nach 1989 Geborenen ist die deutsche Einheit selbstverständliche gesellschaftliche Realität und Rahmen ihrer individuellen Entwicklungschancen.

Zentrale Handlungsfelder für die Zukunft
In Auswertung der untersuchten Wahrnehmungs- und Einstellungsmuster wurden gesellschaftspolitische Konzepte und Themen erläutert, die für die weitere Gestaltung der deutschen Einheit von besonderer Bedeutung sind. Zu den zentralen Themen für die weitere Gestaltung der deutschen Einheit gehören:

Deutsch-deutsche Identitäten auf der Basis gemeinsamer Werte und Ziele
Zu betonen sind bei diesem Thema zunächst die fundamentalen Gemeinsamkeiten der Deutschen in Ost und West in mentaler und kultureller Hinsicht sowie auf der Ebene der Werte und Einstellungen. Die übergreifenden Wertorientierungen (allgemeinen Lebensziele) differieren zwischen Ost und West trotz unterschiedlicher Traditionsbestände, Identifikationen und subjektiver Schichteinstufung kaum.
Ganz oben stehen in Ost und West ein glückliches Familienleben, finanzielle Sicherheit und Entfaltung der individuellen Fähigkeiten. Gleichermaßen geschätzt werden Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Sicherheit. Die Gemeinsamkeiten schließen - trotz bestimmter Differenzen - auch soziopolitische Orientierungen ein. Sowohl Marktwirtschaft wie Demokratie werden in beiden Landesteilen von einer deutlichen Mehrheit bejaht und unterstützt.
Bei der weiteren Gestaltung der Einheit sollte unsere Gesellschaft darauf zielen, das Entstehen und Wachsen von Identität(en) auf der Basis gemeinsamer Werte und Ziele voranzubringen. Dies ist ohne eine angemessene Berücksichtigung von Unterschieden kaum möglich.
Die wichtigsten kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West betreffen die subjektive Schichteinstufung, die Kirchenbindung bzw. Konfessionszugehörigkeit, Rollen und gesellschaftliche Position der Frauen und die Intensität der Herausforderungen an die Menschen seit 1990, sich anzupassen und umzustellen.
Das Wachsen einer gemeinsamen deutschen Identität kann durch die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen auf der Grundlage gemeinsamer Zielvorstellungen und unter Anerkennung des Wertes der unterschiedlichen Erfahrungen und Potentiale in West und Ost gelingen.

Materielle Gerechtigkeit
Die Grundsätze sozialer Gerechtigkeit gehören in Ost- und in Westdeutschland zu den am meisten unterstützten Grundwerten. Dabei ist von Bedeutung, dass sich Ost- und inzwischen auch Westdeutsche mehrheitlich in ihren Leistungen nicht hinreichend gewürdigt fühlen. Dieses Fühlen ist insbesondere in Ostdeutschland verfestigt, weil mangelnde symbolische Anerkennung der Ostdeutschen und ihrer Leistungen in der Geschichte des Landes (auch unter den Bedingungen der Diktatur) mit einer als unzureichend empfundenen materiellen Anerkennung aktueller Leistungen (Niveaus von Löhnen und Gehältern, Transfereinkommen im Ost-West-Vergleich) einhergehen und sich wechselseitig verstärken.
Unsere Gesellschaft muss die Frage beantworten, mit welchen staatlichen und außerstaatlichen Mitteln vor diesem Hintergrund die soziale Einheit Deutschlands befördert werden kann.

Freiheit und aktive Demokratie
Mit Blick auf die weitere Gestaltung der freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft in Deutschland ist zunächst zu konstatieren, dass es bei einer hohen prinzipiellen Zustimmung zur Demokratie in Ost und West eine relativ hohe Unzufriedenheit mit dem politischen System gibt.
Ansatzpunkte zur produktiven Aufnahme dieser Unzufriedenheit bieten die gewachsenen Ansprüche der Bürger an Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie.
Auch bei der weiteren Gestaltung der deutschen Einheit spielen Zivilcourage und Engagement der Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Rolle.


Der Online-Dialog

Resonanz
Der Online-Dialog erhöhte die Aufmerksamkeit auf das Forschungsprojekt und erreichte eine breite Resonanz bei den Teilnehmern. Die mediale Resonanz war erstaunlich: zahlreiche Beiträge in Zeitungen und Online-Portalen sowie Interviews im Radio und TV griffen den Online-Dialog auf. Berichtet wurde in der Süddeutschen Zeitung, im Tagesspiegel und der Berliner Zeitung, im RBB Kulturradio sowie Berlin TV, ZDF heute und dem Nachrichtensender France24. Auch nach dem Ende des Online-Dialoges kommen Nachfragen zur möglichen Verwendung von Zitaten der Teilnehmer für Ausstellungen, Berichte über das Projekt etc.

Das zentrale Element des Online-Dialoges
Die Online-Plattform wurde von über 7.000 Personen besucht, die sich informierten oder Beiträge der anderen Teilnehmer lasen. Die Beantwortung von drei Fragen zum Gestern, Heute und Morgen der Deutschen Einheit bildete das zentrale Element des Online-Dialoges:
Gestern: Was verbinden Sie mit dem 9. November 1989 – dem Tag der Maueröffnung?
Heute: Wie erleben Sie momentan die deutsche Einheit? Wo befinden wir uns jetzt?
Morgen: Wann ist die deutsche Einheit vollendet? Was ist noch zu tun?

Die Teilnehmer/innen
Die offenen Fragestellungen ermöglichten den Teilnehmern, eine große Bandbreite an Themen zu artikulieren. Jede interessierte Person konnte sich beteiligen und Antworten sowie Bilder einstellen. Voraussetzung war eine Registrierung mit Benutzernamen und Mailadresse. Insgesamt meldeten sich 229 Teilnehmer an, die zusammen 402 Beiträge verfassten. Das Alter der angemeldeten Teilnehmer reichte vom Jahrgang 1929 bis 1990, und umfasste somit verschiedene Generationen. Die Verteilung der Teilnehmer zwischen Ost und West war relativ ausgeglichen. Einen räumlichen Schwerpunkt bildete, wie im Vorfeld erwartet die Ballungsräume wie Berlin, Frankfurt, Leipzig oder das Ruhrgebiet. Männer stellten mit fast zwei Drittel der Teilnehmer die eindeutige Mehrheit im Dialog.

Ergebnisse des Online-Dialoges
Die Wiedervereinigung wird von den Teilnehmern ganz überwiegend positiv bewertet. Die Vorteile der Wiedervereinigung sehen die meisten Teilnehmer in einem Mehr an individuellen Möglichkeiten und Freiheiten sowie dem Ende von familiären Trennungen.

Ein eindeutig dominierendes Thema bei der Auseinandersetzung der Teilnehmer mit dem gegenwärtigen Stand der deutschen Einheit ist die Frage der ungleichen Identitäten. Diese Differenz wird, zumal von den älteren Teilnehmern, immer wieder herausgestellt. Auch wenn die Einschätzung von Gründen hierfür und die damit im Zusammenhang gesehenen Probleme stark variieren. Auch wenn eine vollständige Überbrückung der Divergenz zwischen den Vorwende-Generationen vielen Teilnehmern nicht möglich erscheint, so sind Viele darin einig, dass sich diese Divergenzen letztlich erst mit den folgenden Nachwende-Generationen endgültig lösen werden. Die Rolle der Politik und insbesondere der Medien bei der Vermittlung der gewachsenen Identitäten wird dabei fast durchweg negativ wahrgenommen. Die vielfach klischeehafte Berichterstattung, sowie das starre Festhalten an Ost-West-Schemata stehen dabei im Mittelpunkt der Kritik.

Im Kontrast hierzu wird das Zusammenwachsen im eigenen privaten und beruflichen Umfeld überwiegend als gelungen wahrgenommen. Die Frage der Identitäten ist zudem für viele Teilnehmer weit weniger politisch konnotiert, denn vielmehr Ausfluss von Erfahrungs- und Austauschprozessen. Soweit Handlungserwartungen an die politischen Akteure in diesem Feld formuliert wurden, bezogen sie sich auf Austausch- und Partnerprogramme zwischen den verschiedenen Regionen in Deutschland im Rahmen von Bildungs-, Jugend- und Kommunalpolitik sowie die Bereitstellung entsprechender Dialog-Räume, um ins Gespräch und den Austausch zu kommen.

Die ökonomische Ungleichheit bildet einen weiteren erkennbaren Themenblock. Deutlich wird in vielen Beiträgen hierzu, dass die Frage der ungleichen Löhne, Sozialbezügen und Renten weniger als eine ökonomische Benachteiligung denn als eine fehlende kollektive Anerkennung wahrgenommen wird. Unter diesem Aspekt betrachtet, wird die Frage nach der Anerkennung der eigenen Identität von vielen Teilnehmern hier unter anderem Gewand verhandelt. Eine Begründung könnte darin liegen, dass die Beseitigung der Ungleichgewichte in diesem Bereich für viele Teilnehmer eine klar benennbare politische Handlungsanweisung darstellt, die per Gesetz durchsetzbar wäre.

Online-Dialog zur Wahrnehmung und Bewertung der deutschen Einheit
www.unsere-deutsche-einheit.de

24. Aug 2009  |   |  kommentieren  |  Bleiben Sie auf dem Laufenden